Die Kolumnenreihe mit Jörg Phil Friedrich
Ich habe kein Hobby
„Ein schönes Hobby haben Sie da“ – das hört man immer wieder, meistens ist es lobend gemeint, etwa, wenn jemand in seiner Freizeit malt, schneidert oder den Garten in einen idyllischen Park verwandelt. Aber im Wort „Hobby“ schwingt auch immer, wie auch im Begriff der „Freizeit“ mit: es ist eine Nebensache. Wir teilen unser Leben in die Arbeitszeit und die Freizeit ein, die Arbeit definiert, was und wer wir sind, und was wir in der Freizeit machen, ist in dieser Sichtweise irgendwie eine nette Zutat, ein Sahnehäubchen, aber nicht so wichtig, es scheint verzichtbar.
Aber womöglich ist diese Sichtweise grundfalsch. Natürlich gibt es unter den Dingen, mit denen wir unser Leben verbringen, die einen, mit denen wir die anderen finanzieren. Das nennt man die Arbeit. Und dann gibt es noch die Dinge, die unserem Leben Sinn geben. Im besten Fall gibt die Arbeit dem Leben auch Sinn, aber es gibt darüber hinaus vieles, was uns sinnvoll erscheint, was das Leben erfüllt, was aber nicht zum Lebensunterhalt beiträgt, jedenfalls nicht im Sinne des „Broterwerbs“. Das als Hobby zu bezeichnen, wertet es ab, macht es zur Nebensächlichkeit, die verzichtbar wäre.
Dabei ist gerade dieses Sinnvolle nicht verzichtbar, es ist doch am Ende das, um dessen Willen man überhaupt das „Brot erwirbt“, es ist dasjenige, was das Leben erst lebenswert macht. Man denke an eine Künstlerin, die von ihrer Kunst oft gerade nicht leben kann, die sich einen anderen Broterwerb sucht, um ihrer Kunst nachgehen zu können.
Die Lebensweise der Künstlerin erscheint als Ausnahme, aber warum sollte sie nicht der Normalfall sein? Warum werten wir das ab, was wir angeblich nicht „professionell“ tun? Vielleicht, weil wir es nicht gelernt haben, weil wir keine Ausbildung an einer Kunstakademie durchlaufen, keinen Gesangsunterricht genommen, nicht bei einer Schneidermeisterin in der Lehre waren, keine Gartenbauausbildung abgeschlossen haben? Tatsächlich ist die Meinung weit verbreitet, dass man sich nur nach dem benennen dürfte, worin man einen staatlichen Abschluss hat. In allem anderen ist man ein Laie, ein Dilettant. Auch diese Begriffe haben einen abwertenden Beiklang.
Aber das macht das Problem noch komplizierter. Als Profi wird eine Person bezeichnet, die nach staatlichen Regeln gelernt hat, was sie da tut. Unsere gesellschaftliche Fixierung aufs Profitum vereinfacht natürlich vieles: ob etwas ein Kunstwerk ist, entscheiden wir danach, ob die Produzentin ein Kunststudium abgeschlossen hat. Zweifellos ist es sinnvoll, einer Person viel Übung, Disziplin und ein hartes selbstkritisches Training zu empfehlen, die etwas Großartiges schaffen will. Auch zum Philosophen gehört eine langwierige Übung im selbstkritischen Denken, dem womöglich auch das intensive Studium der Texte anderer Denker nicht schadet. Ein Weg dazu kann ein Studium an einer anerkannten Schule sein.
Aber letztlich macht das Studium weder zwingend zur Künstlerin noch zum Philosophen. Was es dazu braucht, wie auch zur genialen Köchin oder zum begnadeten Gärtner, ist Besessenheit. Gerade Leute, die ihre Leidenschaft als Hobby, betreiben, sind oft heimliche Besessene.
Besessenheit ist aber nicht mal unbedingt nötig, um den eigentlichen Lebenssinn in etwas zu suchen und zu finden, was jenseits des Broterwerbs liegt. Der Lebenssinn muss ja nicht im Außerordentlichen, Großartigen liegen. Es ist einfach eben diese Suche, der Drang zum Schaffen, zum Tun, die Freude am Geschaffenen – und die Gewissheit, dass es sich genau dafür lohnt, weiterzuleben, neu anzufangen, etwas zu wagen.
Das ist dann eben kein Hobby, es ist der Lebenssinn. Wir sollten das Wort Hobby aus unserem Wortschatz streichen.