Wissenschaftsfreiheit in Gefahr: Professorin Lotter warnt vor Denkverboten an deutschen Universitäten

18.01.2024

Wissenschaftsfreiheit in Gefahr: Maria-Sibylla Lotter warnt vor Denkverboten an deutschen Universitäten

In einem Interview mit ZEIT ONLINE beklagt Lotter ideologische Einschränkungen und mahnt zur Wahrung der Meinungsfreiheit für eine funktionierende Demokratie

Im Interview äußert sich die Professorin Maria-Sibylla Lotter besorgt über die Wissenschaftsfreiheit an deutschen Universitäten. Lotter beklagt, dass es immer schwieriger werde, unpopuläre Themen und Meinungen zu diskutieren, da der gesellschaftliche Wandel dazu führe, dass bestimmte Ansichten als Tabu gälten. Sie sieht eine Tendenz, die Wissenschaftsfreiheit im Namen von Sicherheit und Wohlbefinden einzuschränken. Insbesondere kritisiert sie die Verbindung der Therapiekultur mit der so genannten „woke“-Bewegung, die dazu führe, dass unangenehme Diskussionen vermieden würden, um moralisches Unbehagen zu vermeiden.

Lotter betont, dass die ideologische Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit eher innerhalb der Universitäten stattfindet und von der Leitung, den Kolleg:innen oder den Studierenden ausgeht. Sie nennt Beispiele, wie Forschung zu bestimmten sensiblen Themen wie Ehrenmord oder Islamismus vermieden wird, um nicht als rassistisch zu gelten oder die Karriere zu gefährden.

Die Professorin äußert sich auch zu aktuellen Vorfällen an deutschen Universitäten, bei denen Veranstaltungen aufgrund politischer Kontroversen abgesagt wurden. Sie sieht die Notwendigkeit, kontroverse Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und ohne Feindseligkeit zu diskutieren. Lotter betont die Bedeutung der Meinungsfreiheit und der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, um zu lernen und eigene Positionen zu hinterfragen.

Abschließend betont Lotter, dass Wissenschaft keine „Wellness-Oase“ sei und dass auch unliebsame politische Meinungen ihren Platz in der Öffentlichkeit haben müssten, um eine funktionierende Demokratie zu erhalten.

Eine Demokratie ist nur so lange eine Demokratie, solange alle die Möglichkeit haben, öffentlich ihre Meinung kundzutun.

Prof. Dr. Maria-Sibylla Lotter , Deutsche Philosophin und Kolumnistin

Prof. Dr. Maria-Sibylla Lotter hat im Mai 2023 das Buch „Probleme der Streitkultur in Demokratie und Wissenschaft“ im Verlag Karl Alber herausgegeben. Die Beiträge untersuchen die Bedeutung der Debatte unter Andersdenkenden in Demokratie und Wissenschaft sowie die Gründe und Folgen ihrer derzeitigen Lähmungserscheinungen.